Gästebedürfnis Barrierefreiheit: Chancen für die Branche

Unter dem Begriff Barrierefreiheit verstehen viele Leute den hindernisfreien Zugang zu allem für alle. Dabei wird Barrierefreiheit auch mit Zugang für Menschen mit einer Behinderung gleichgesetzt. Diese enge Auffassung entspricht aber nicht dem gesamten Umfang der Thematik. Urs Niffeler, Direktor im Hotel Sonnmatt, erzählt, wie der barrierefreie Zugang im Luzerner Betrieb umgesetzt wird und weshalb das Thema auch ausserhalb der Kurhäuser in der gesamten Beherbergungsbranche und dem Tourismus an Bedeutung gewinnen wird.

Seit der Gründung im Jahr 1908 steht das Kurhotel Sonnmatt in Luzern für Gesundheit und Innovation. Heute umfasst das Haupthaus sowie die neueren Bauten ein Kurhotel, eine Residenz und in Partnerschaft mit der Gruppe ZURZACH Care eine Rehabilitationsklinik. Aufgrund des Angebots ist für das Hotel Sonnmatt selbstverständlich, dass der Barrierefreiheit besonders Rechnung getragen wird. «Auf Sonnmatt haben wir wenig Individualtouristen und die Aufenthaltsdauer unserer Gäste beträgt durchschnittlich mehr als zwei Wochen. Schon deshalb ist es essenziell, dass wir unseren Gästen ermöglichen können, sich wie zu Hause zu fühlen», sagt Urs Niffeler.

Barrierefreiheit betrifft die gesamte Beherbergungsbranche

Das Hotel Sonnmatt in Luzern hat einen besonderen Angebotsmix. Gäste, die im Kurhotel einchecken, haben andere Bedürfnisse als jene, die in der Residenz wohnen oder beispielsweise nach einer Operation einige Zeit in der Rehabilitationsklinik verbringen. «Wir sorgen dafür, dass unsere Gäste nach einer schwierigen Zeit wieder zurück in ihr gewohntes Leben finden», sagt Urs Niffeler und meint weiter, «Dabei sollen sich die Gäste wohl fühlen und eine wohnliche Atmosphäre antreffen, in der sie gesund werden können». Das zeigen auch die Räumlichkeiten im Hotel Sonnmatt. Die Zimmer mit Blick auf den Vierwaldstättersee und die Luzerner Voralpen haben den Charme eines Hotelzimmers, bieten aber gleichzeitig genügend Platz und Hilfsmittel, wo diese nötig sind. Im Badezimmer können beispielsweise Haltehilfen angebracht werden, wenn der Gast dies wünscht. Werden diese nicht benötigt, behält das Badezimmer dieselbe Atmosphäre und es entsteht nicht das Gefühl, dass etwas fehlt. «So können wir ganz gezielt auf die individuellen Bedürfnisse aller Gäste eingehen und die Zimmer auch während des Aufenthalts adaptieren», sagt der Hotelier.

Ebenfalls wird Innovation im Hotel Sonnmatt grossgeschrieben. So hat der Luzerner Betrieb in Zusammenarbeit mit zwei Schreinern zum Beispiel ein Bett für ihre Zimmer entwickelt, das alle Funktionalitäten eines Spitalbettes bietet, aber das Aussehen eines Hotelbettes behält. Urs Niffeler rät seinen Branchenkollegen, auf Expertise zurückzugreifen: «Eine Bestandesaufnahme ist zwingend. Der Betrieb muss mithilfe von Fachwissen beleuchtet werden. Optimierungen und Anpassungen können dann schrittweise oder auch als Gesamtprojekt vorangetrieben werden». Dabei betont der Hotelier, dass nicht der gesamte Betrieb auf einmal ganzheitlich barrierefrei werden muss: «Die Gäste müssen von der Auffahrt, über die Reception in ihr Zimmer gelangen und sich im Hotel barrierefrei bewegen können. Das heisst nicht, dass alle Zimmer diesen Anforderungen entsprechen müssen. Es ist schon viel erreicht, wenn einzelne Zimmer diesen Anspruch erfüllen.»

Das Audit von HotellerieSuisse zum Thema Barrierefreiheit

Der Hotelcheck für barrierefreie Betriebe von HotellerieSuisse bietet die Möglichkeit, eine solche Bestandesaufnahme durchzuführen. Das Audit zur Prüfung der Barrierefreiheit im Hotel Sonnmatt hat Co-Auditorin Monika Lustenberger durchgeführt. Dabei wurde das Audit von der Geschäftsstelle Heilbäder und Kurhäuser Schweiz finanziell unterstützt. Sie in initiierten und finanzierten die Audits aller Mitglieder des Verbands mit dem Ziel, eine möglichst grosse Transparenz für die Gäste zu erreichen. So wissen die Gäste, was sie bei einem Besuch in den unterschiedlichen Betrieben erwartet. Beim Audit müssen die Betriebe kein gewisses Anforderungsniveau erreichen, sondern erhalten Rückmeldung über die aktuelle Barrierefreiheit in ihrem Betrieb. Geprüften Betrieben stehen im Anschluss die entsprechenden Piktogramme zu Verfügung, mit denen die Barrierefreiheit im Betrieb transparent nach Aussen getragen und über verschiedene Plattformen sichtbar gemacht werden kann. Die Gäste können sich über die Plattformen informieren, in welchen Bereichen die Betriebe barrierefrei sind und sich schon vor der Anreise ein Bild von der Situation vor Ort machen.

Bei Neubauten lohnt es sich laut Urs Niffeler, von Beginn an Fachleute ins Projekt miteinzubeziehen und von Anfang an barrierefrei zu planen. Bei Neubauprojekten ist die Umsetzung vielfach einfacher als bei bestehenden Gebäuden, bei denen auch der Denkmalschutz und andere Anspruchsgruppen miteinbezogen werden müssen. «Hier sind oft kreative und innovative Lösungen nötig, die mit Hilfe von Fachwissen – beispielsweise auch von HotellerieSuisse – besser umgesetzt und geplant werden können. Dabei gilt es, offen zu bleiben und den Weitblick nicht zu verlieren», sagt Urs Niffeler. So konnten im Haupthaus im Hotel Sonnmatt, das im Jugendstil erbaut wurde, nicht alle Balkone barrierefrei saniert werden, da dies an der schützenswerten Fassade nicht kompatibel ist.

Barrierefreies Reiseerlebnis ermöglichen

Barrierefreiheit ist ein häufig verwendeter Begriff zur Bezeichnung des hindernisfreien Zugangs zu allem für alle. Der Förderverein Barrierefreie Schweiz (FVBS) stellt aber die individuellen Bedürfnisse und Voraussetzungen von Reisenden in den Fokus und versteht deshalb unter dem Begriff den individuellen Zugang nach individuellen Möglichkeiten. Doch betrifft Barrierefreiheit nicht nur Personen, die in Rehabilitation sind oder mit einer Behinderung leben. Das Spektrum ist viel grösser und lässt sich in der Beherbergungsbranche nicht nur auf Kurhäuser reduzieren. Das meint auch Urs Niffeler: «Zu den Gästen in unserer Branche gehören auch Familien mit Kinderwagen oder betagte Personen mit einem Rollator. All diesen Gästegruppen sind auf einen auf ihre Bedürfnisse abgestimmten Zugang zu den Räumlichkeiten angewiesen». Aus diesem Grund sind Überlegungen im Bereich Barrierefreiheit für die gesamte Beherbergungsbranche notwendig, da auch Individualtouristen diese Bedürfnisse mitbringen.

Doch hört die Barrierefreiheit nicht im Betrieb auf. Für ein komplett barrierefreies Reiseerlebnis müssen verschiedene Akteure ihren Teil dazu beitragen, damit die verschiedenen Gästegruppe und vor allem auch Individualtouristen, die auf Barrierefreiheit angewiesen sind, abgeholt werden. «Dies beginnt bei der Anreise mit dem öffentlichen Verkehr und geht über den Aufenthalt im Hotel bis hin zu den touristischen Angeboten in der Region», sagt der Hotelier. Gerade in Luzern funktioniert dies gemäss Urs Niffeler sehr gut. Luzern Tourismus arbeitet mit den verschiedenen Partnern aus dem Gastgewerbe, dem öffentlichen Verkehr oder kulturellen Institutionen eng zusammen und fungiert als Drehscheibe. Dabei setzen die unterschiedlichen Parteien die Massnahmen um, die in ihren Möglichkeiten liegen, damit ein möglichst barrierefreies Reiseerlebnis von A bis Z ermöglicht wird. «Das bietet einen grossen Mehrwert für diese Gästegruppen. Und für uns als Branche ist es wichtig, dass wir diesen Anforderungen Rechnung tragen, denn allein durch die alternde Bevölkerung im In- und Ausland wächst dieses Segment stetig an. Hier sehe ich für uns im Tourismus grosse Chancen für die Zukunft», sagt der Hotelier.