Rückschlag im Kampf gegen Hochpreisinsel Schweiz
Das Kartellgesetz soll gravierend geschwächt werden. Das hat heute der Nationalrat beschlossen. Konsumentenschutz-Organisationen, GastroSuisse, HotellerieSuisse und andere KMU-Verbände befürchten überhöhte Preise für KMU, Konsumenten und Landwirte.
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Das Kartellgesetz soll gravierend geschwächt werden. Das hat heute der Nationalrat beschlossen. Konsumentenschutz-Organisationen, GastroSuisse, HotellerieSuisse und andere KMU-Verbände befürchten als Folge davon überhöhte Preise für KMU, Konsumenten und Landwirte. Nun liegt der Ball wieder beim Ständerat, der sich vor einem Jahr gegen eine Aufweichung des Kartellgesetzes entschieden hat.
Economiesuisse und andere Wirtschaftsverbände wollen das Kartellgesetz massiv abschwächen. Der Nationalrat hat heute in ihrem Sinn entschieden: Einerseits soll die Wettbewerbskommission selbst bei schwerwiegenden Abreden über Preise, Mengen und Gebiete immer auch noch die tatsächlichen schädlichen Auswirkungen zweifelsfrei nachweisen und beziffern müssen. Andererseits will die grosse Kammer zusätzliche auch die Regeln für marktbeherrschende und marktmächtige Unternehmen lockern. Konsumentenschutz-Organisationen, GastroSuisse, Hotelleriesuisse und andere KMU-Verbände bekämpften das Vorhaben vergeblich.
Aufhebung des Gaba-Elmex-Urteils
Mit dem 2016 gefällten Gaba-Elmex-Urteil glich sich die Schweizer Rechtsprechung den Standards in der OECD an: Nach wie vor muss die Wettbewerbskommission (WEKO) eine verbotene Abrede zwischen Unternehmen zweifelsfrei belegen. Bei besonders schädlichen Abredetypen wie zum Beispiel Preisabsprachen muss sie jedoch seit dem wegweisenden Bundesgerichtsurteils von 2016 den durch das Kartell eingetretenen Schaden nicht mehr im Detail nachweisen und quantifizieren. Dieser Nachweis war vorher ein beliebtes Schlupfloch für angeklagte Unternehmen und ihre Anwälte. Angesichts der vorliegenden Beweise mussten sie die Existenz des Kartells oft zugeben, behaupteten dann aber einfach, es hätte keine gravierenden Auswirkungen auf den Markt gehabt.
Der Nationalrat möchte nun wieder zu dieser kartellfreundlichen Praxis zurückkehren. Severin Hohler, Leiter Politik und Wirtschaft bei GastroSuisse kritisiert diesen Entscheid: «Grosskonzerne würden nun wieder vermehrt Parallelimporte und Direkteinkäufe im Ausland behindern. Die Folge wären überhöhte Preise für Schweizer KMU, Landwirte und Konsumenten.»
Missbrauch marktbeherrschender Stellung wird leichter
Der Nationalrat entschied heute, die Regeln für marktbeherrschende und relativ marktmächtige Unternehmen ebenfalls zu lockern. Grosskonzerne könnten damit ihre dominante Position gegenüber kleineren Marktteilnehmern vermehrt ausnutzen – zum Beispiel für Preiserhöhungen. Ausserdem stehen die Errungenschaften der Fair-Preis-Initiative auf dem Spiel: Seit 2022 können sich Unternehmen gegen missbräuchlich überhöhte Preise von Lieferanten wehren, von denen sie abhängig sind. So verurteilte die WEKO im Herbst 2024 den französischen Grossverlag Madrigal die Verkaufspreise für Bücher gegenüber dem Schweizer Buchhändler Payot zu senken. «Die Aufweichung des Kartellgesetzes wäre ein herber Rückschlag im Kampf gegen die Hochpreisinsel Schweiz. Insbesondere ausländische Konzerne würden die Preise in der Schweiz wieder erhöhen und die hohe Kaufkraft der Schweizer Bevölkerung abschöpfen», sagt Sara Stalder, Geschäftsleiterin des Konsumentenschutzes.
Auch für KMU-Vertreter ist der Entscheid des Nationalrates unverständlich: «Viele Schweizer Unternehmen sind auf Vorleistungen aus dem Ausland angewiesen. Werden diese Produkte und Dienstleistungen noch teurer, sind viele Schweizer Unternehmen bald nicht mehr konkurrenzfähig», meint Christophe Hans, Leiter Wirtschaftspolitik von HotellerieSuisse.
Diese Gefahr hat auch der Ständerat erkannt. Im Gegensatz zum Nationalrat stimmte er im Sommer 2024 gegen eine Aufweichung des Kartellgesetzes. Da sich die beiden Räte nicht einig sind, geht das Geschäft wieder zurück in den Ständerat.